Sizilien

Sportlicher Tanz um den Vulkan

 

90 Km in 5 Etappen auf heißen Sohlen

 

 

Sizilien, die größte Insel im Mittelmeer, ist nicht nur reich an archäologischen und historischen Zeugnissen, sondern hat mit dem Ätna (3357 m), dem höchsten aktiven Vulkan Europas, und vielen Naturreservaten auch äußerst reizvolle Landschaften vorzuweisen. Die Insel bietet sozusagen auch für Trailrunner eine ideale Spielwiese mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Die sportliche Herausforderung im Herzen der mediterranen Landschaften beim „Sicile Ätna Ultra-Trail“ ließ ich mir nicht entgehen um bei der Premiere dabei zu sein. Garniert war die etwa 90 Kilometer lange Strecke mit gut 4400 Höhenmetern bergauf und bergab.

 

Schon seit 2009 haben Markus Neumeister und ich es zur Tradition gemacht, einmal im Jahr gemeinsam an einem besonderen Laufevent teilzunehmen. Seit 2015 gesellt sich auch Susanne Schubert dazu. Nachdem 2020 keine derartigen Laufevents angeboten wurden, kam das Angebot dieses Jahr gerade zum richtigen Zeitpunkt und wir mussten nicht lange überlegen und nutzten die einmalige Chance, beim Sizilien-Laufabenteuer dabei zu sein.

 

Den Franzosen Serge Morel, der schon weltweit über 200 Laufreisen organisiert hat, kennen Silvia und ich schon seit vielen Jahren von gemeinsamen Laufabenteuern wie zum Beispiel in Kambodscha, Myanmar, Indien, Jordanien, Algerien …..

Jetzt sagt Chef Serge leise „Adieu“ und übergibt sein Unternehmen für Laufabenteuerreisen in jüngere Hände. Da war es für Silvia und mich Ehrensache, mit ihm „nochmal on Tour zu gehen.“

 

Hier ist die Geschichte von einem spannenden Lauferlebnis auf sizilianischem Boden:

 

Insgesamt waren 63 Läuferinnen und Läufer, darunter drei Inklusions-Teams und Walker aus Frankreich, Italien und Deutschland am Start.

Ausgangspunkt aller Touren war die noble Hotelanlage Brucoli Village, schön an der Ostküste 50 Kilometer südlich von Catania, der zweitgrößten Stadt mit etwa 311 000 Einwohnern, gelegen. Frühmorgens wurden die Teilnehmer mit den Bussen zu den verschiedenen Startorten chauffiert. Am frühen Nachmittag ging es wieder zurück in die Hotelanlage, wo sich die geschundenen Körper beim Baden im Meer oder im Pool erholen konnten, oder man konnte einfach nur faul auf dem Liegestuhl liegen und den Gedanken freien Lauf lassen.

 

 

Gleich bei der ersten Etappe (21 Kilometer) hatten die Läuferinnen und Läufer nicht nur mit dem anspruchsvollen Streckenprofil zu kämpfen, sondern auch mit den hochsommerlichen Temperaturen nahe der 40-Grad-Marke. An diese Temperaturen mussten wir uns erst mal wieder gewöhnen, denn der heiße Sommer in Deutschland fiel heuer leider aus. Reichlich Erfahrung mit den heißen Temperaturen hatte ich ja in den Wüsten (Gobi, Sahara, Namibia etc.) schon gemacht. Prägend für diese Etappe war der Streckenabschnitt über einen Höhenzug mit herrlicher Fernsicht.  

 

Etappe Nummer zwei (21,5 Kilometer) verlief überwiegend durch schattige Wälder, so war man der Sonne nicht permanent ausgesetzt. Zwar gestaltete sich der Parcours technisch weniger schwierig, aber er hatte es trotzdem in sich. Nach der Streckenhälfte erwartete die Teilnehmer ein langer steiler Anstieg über 3,5 Kilometer, wobei kräftezehrende 300 Höhenmeter zu überwinden waren.

 

Die dritte Etappe (13 Kilometer) übertraf alles was die Sportler bisher erlebt haben, aus zweierlei Sicht.

Zum einen war es eine geschichtliche Zeitreise ins 13. Jahrhundert v. Christus, vorbei an den Nekropolen von Pantalica. Zum anderen war es in der schwer zugänglichen Schlucht lauftechnisch höchst anspruchsvoll. Susanne schwärmte von dieser Landschaft und meinte: „Man muss sehr konzentriert sein bei den Flussdurchquerungen und bei den extrem steilen bergab Passagen lieber um die Steine herumtanzen, als darüber zu springen“.

Beim Zwischenstand im Gesamtklassement schaute es gut aus für mich: Posistion 2 und Markus lag einen Platz dahinter. Susanne war Dritte in der Frauenwertung. Silvia sieht es entspannter, „ich tue mir keinen Wettkampfstress an“, und reihte sich bei den Walkern ein. Da wird keine Zeitnahme durchgeführt und die Etappen sind etwas kürzer.

 

Mitunter gestalteten sich die Busfahrten zu den Startorten zu einem aufregenden Erlebnis. In den Städten, die wie Adlerhorste auf den Hügeln thronen, gibt es oft nur eine Fahrtrichtung, wo gerade noch der Bus durch die engen Häuserschluchten im Schritttempo vorwärts kommt. Wendemöglichkeiten gibt es quasi keine und wenn sich der Chauffeur verfährt, muss ein weiter Umweg in Kauf genommen werden. Aber das nimmt der Busfahrer nicht so genau und steuert aus Zeitgründen den Bus entgegen der Einbahnstraße durch die engen Gassen. Entgegen kommen darf hier aber niemand!

 

Die vierte Etappe (18 Kilometer) war Erholung für die Füße. Bis auf wenige Passagen gut zu laufender Untergrund durch Schluchten und über Höhenzüge. Es war sozusagen eine abwechslungsreiche Etappe durch ein Waldgebiet und durch Bergdörfer mit dem typischen sizilianischen Flair.

 

Beim abendlichen Briefing wurde bekannt gegeben, dass die Genehmigung für die krönende Schlussetappe (14,5 Kilometer) am Fuße des Ätna erst heute beim Veranstalter eingegangen ist mit besonderen Auflagen. Es war also auch für die Organisatoren ein spannendes Unternehmen. Alle Etappen fanden in verschiedenen Nationalparks statt und am Ätna und Pantalica gelten strengere Regeln.

 

Die letzte Etappe war ein vulkanischer Landschaftsschmankerl. Auf der Wendepunktstrecke hatte man meist den Ätna-Gipfel im Blick, sofern er nicht von den Wolken umhüllt war. Apropos Blick: Ich hatte nicht nur die Landschaft im Blick, sondern auch die Platzierung im Gesamtklassement: 3:20 Minuten musste der „alte Hase“ wettmachen, um den Gesamtsieg unter Dach und Fach zu bringen. Meine kluge Renneinteilung ging auf und konnte mich letztendlich doch mit deutlichem Vorsprung als Gesamtsieger (8:34:49 Stunden) feiern lassen. Markus (9:13:28 Stunden) freute sich über seinen 3. Platz ebenso wie auch Susanne (10:59:56 Stunden) in der Frauenwertung.

 

Stark beeindruckt haben die Sportlerinnen und Sportler der drei Inklusions-Teams, die Tag für Tag bewiesen haben, mit welch unbändigen Willen und Durchhaltevermögen sie diese Herausforderungen gemeinsam als Team bewältigen können, ganz nach der Prämisse: „Keiner allein ist so stark wie wir als Team“.

Ein Team besteht aus acht bis zehn Läufer*innen die in einem speziell angefertigten geländetauglichen fahrbaren Untersatz Menschen mit körperlicher / geistiger Behinderung die Möglichkeit geben, am sportlichen Leben in der Natur teilnehmen zu können.

Der Erfolg stellt sich nur ein, wenn das Team zusammenhält und die „interne Maschinerie“ reibungslos nach einem strukturierten Plan funktioniert. Jeder Einzelne muss in einem bestimmten Rhythmus verschiedene Funktionen beherrschen: Schieben, Lenken, Bremsen sowohl mechanisch als auch mit Muskelkraft …. Die einzelnen Sportler sind meist erfahrene (Marathon)Läufer*innen.

Susanne hat hin und wieder ihre Zieleinläufe beobachtet: „Das ist Gänsehautfeeling! Es ist bewundernswert, wie sich diese Menschen ehrenamtlich engagieren und Kinder mit Handicap damit eine große Freude bereiten. Oft sind ja gesunde Menschen nicht mal mehr mit dem Normalen zufrieden.“

 

Dem Fazit von Markus schlossen wir uns an: „Es war eine Laufgenuss-Woche auf interessantem Laufterrain in schöner Landschaft, wo auch die Erholung in angenehmer Atmosphäre nicht zu kurz kam.“

Auszug aus dem Gesamtklassement

 

Männer:

1. Michael Kraus (D) 8:34:49 Stunden

2. Daniel Juin (F) 8:42:12 Stunden

3. Markus Neumeister (D) 9:13:28 Stunden

 

Frauen:

1. Patrizia Belletato (I) 8:58:04 Stunden

2. Renée Pierre Audibert (F) 9:40:07 Stunden

3. Susanne Schubert (D) 10:59:56 Stunden

 

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