Laufend unterwegs im Land der Pagoden
In 8 Tagesetappen waren knapp 190 Kilometer und 4000 Höhenmeter zu bewältigen
Nirgends gibt es mehr Pagoden. Nirgends mehr Buddhas. Nirgends mehr Mönche. Gern wird es als das Land der Pagoden besungen. Das Land mit seinen Kulturschätzen und seiner ethnischen Vielfalt zählt zu den angesagtesten Reisezielen Asiens. Doch wer uns kennt, weiß, dass unser Aufenthalt auch mit einem Abenteuerlauf zu tun hat. In acht Tages-etappen bei Temperaturen nahe an der 40 Grad Celsius Marke legte ich - es war bereits mein 26.Abenteuerlauf weltweit - knapp 190 Kilo-meter in acht Tagesetappen im Lauftempo zurück. Für Silvia, die als Walkerin unterwegs war, galt es rund 135 Kilometer zu bewältigen.
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Die weiße Pagode von Mingung
Unsere 19-tägige Reise war nicht nur von Begegnungen mit liebenswerten Menschen geprägt, sondern auch von interessanten Begebenheiten in einem faszinierenden Land:
Nach einer 16-stündigen Flugodyssee von Franktfurt via Amsterdam über Guangzhou setzt der Flieger sicher auf der Landebahn in Yangon auf. Nachdem wir die klimatisierte Flughafenhalle verlassen hatten, schlägt uns schon die erste Hitzewelle entgegen. Somit spüren wir sofort, dass wir uns auf hochsommerliche Temperaturen einstellen müssen. Das
wird in der Kürze nicht so leicht fallen, denn in der Heimat hatten sich ja unsere Körper schon längst an die kalte Jahreszeit gewöhnt.
Nur einen Tag halten wir uns in der 5-Millionen-Metropole auf, wobei die Besichtigung der Shwedagon-Pagode, das Wahrzeichen Myanmars, ein Muss ist. Am nächsten Tag geht es schon mit dem Flieger weiter nach Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern. Hier liegt das historische Herz längst versunkener König-reiche. Es ist ein interessanter Ort, wo man das urbane Leben haut-nah miterlebt und das auch einige touristische Höhepunkte zu bieten hat, wie den Königspalast, die 1,2 Kilometer lange U-Bein-Brücke aus Teakholz (19. Jhs.) oder den sagenumwobenen heiligen Berg Mandalay Hill.
Grandios präsentiert sich die weiße Pagode im nahegelegenen Mingun. Hier spielt sich auch das sportliche Geschehen der ersten drei Etappen ab. Insgesamt waren 15 Läufer, ein Mountainbiker und zehn Nordic Walker am Start. Außer Silvia und mir kommen die restlichen
Sportler alle aus Frankreich. Zusammengefasst verlaufen diese Etappen meist über sandigen und steinigen Wegen mit einigen Boden-wellen und überwiegend der Sonne ausgesetzt, die ohne Erbarmen auf uns herunterknallte. Nur in den Dörfern finden wir etwas Schutz im Schatten der Bäume, wo auch die Verpflegungspunkte für die Sportler stationiert sind. Hier scharen sich auch viele Einheimische, um neu-gierig zu beobachten, was da los ist. Touristen kommen hier das ganze Jahr über keine vorbei. Dementsprechend werden wir in unserem sportlichen Outfit von den Dorfbewohnern genau gemustert. Sie zeigen sich freundlich und offen, winken uns zu und rufen „Bye bye“ oder „Mingalaba“ (übersetzt: „Einen guten Tag“).
Aus sportphysiologischer Sicht hat sich mein Körper noch nicht optimal auf diese extremen Belastungen eingestellt. Der Jetlag (51/2 Stunden Zeitunterschied) hängt noch nach und die brutale Hitze tut ihr Übriges dazu. Zu allem Überfluss habe ich mich bei der ersten und dritten Etappe auch noch gehörig verlaufen. Das hat mich schon gewurmt, vor allem bei der dritten Etappe etwa 400 Meter vor dem Ziel. Ich komme mir vor wie in einem Labyrinth, das zum heutigen Etappenziel
durch diesen kleinen Ort führt. Irgendwann verliere ich die Strecken-Markierungen aus den Augen und stehe im „Nirgendwo“.
„So ist das Race“, sagte später im Ziel Serge zu mir. Serge ist der französische Organisator dieses Events. Im Gesamtklassement bedeutete dies nun den dritten Platz.
Gut 70 Kilometer liegen hinter mir und ich bin mir in der jetzigen Situation nicht sicher, wie das noch zu schaffen ist. Vor allem be-schäftigt mich die vorletzte Etappe, nochmal ein 30-Kilometer-Par-cours in den Bergen mit gut 1100 Höhenmetern. Das ist kein Pappenstil und es geht nach wie vor heiß her.
Aufregung gab es nach der zweiten Etappe, als wir mit dem Boot wieder zur Unterkunft zurückfahren wollen. Wir sind gestrandet. Doch die Schiffsbesatzung nahm das recht locker. Mit vereinten Kräften aller Besatzungsmitglieder wird unser Boot mit größter Anstrengung der eigenen Muskelkraft wieder auf Kurs gebracht. Doch dann kommt noch weiteres Pech dazu: Motorschaden. Es wird geschraubt und ge-hämmert und irgendwie gelingt es dem Bootsmechaniker doch nach einer gefühlten Ewigkeit, den Motor wieder zum Laufen zu bringen. So kommen wir halt zwei Stunden später an, werden aber dabei mit einem herrlichen Sonnenuntergang entschädigt.
Zwei Tage Laufpause tut unseren strapazierten Sehnen und Muskeln jetzt gut. Einen Tag brauchen wir für den Transfer mit dem Schiff auf dem Ayeyarwady-River nach Bagan. Am zweiten Tag steht die Besichtigung von Kunsthandwerksbetrieben und Sakralbauten auf dem Programm. Das 40 Quadratkilometer große Tempelareal mit seinen 3400 Pagoden zählt zu den architektonischen Meisterleistungen Asiens.
Außerdem werden wir Zeugen eines einmaligen Naturschauspiels, das wir von einer Anhöhe aus beobachten können: Durch die untergehende Sonne wird diese endlose Pagodenlandschaft in ein einzigartiges Licht verzaubert. Es herrscht eine tolle Atmosphäre die mit Worten nicht zu beschreiben ist.
Geprägt von einer Landschaft mit savannenähnlichem Charakter sind die Etappen vier, fünf und sechs. Dabei werden 64 Kilometer zurück-gelegt. Vorsicht ist geboten bei Begegnungen mit Ochsengespannen. Die Tiere sind uns Läufer nicht gewohnt und daher oft schwer im Zaum zu halten. Hin und wieder passiert es, dass so ein Ochsengespann sprichwörtlich „durchgeht“.
Etappe Nummer fünf hat etwas Besonderes. Unmittelbar nach dem Start müssen wir zunächst einen satten Anstieg bewältigen (100 Höhenmeter auf 500 Meter) und oben auf dem Berg angekommen
führt die Strecke weiter, 20 Meter mitten durch ein heiliges Areal. Das bedeutet: Schuhe und Socken ausziehen, denn hier darf nur barfuß gelaufen werden.
Inzwischen habe ich mich an die hohen Temperaturen gewöhnt. Es läuft jetzt richtig gut. Die vierte Etappe konnte ich für mich ver-buchen und Etappen fünf und sechs sind der spätere Sieger, André Siman, und ich gemeinsam ins Ziel gekommen.
Mit dem Flieger erfolgt nochmal ein Transfer zum Inle-See. Hier finden wir eine total andere Gegend vor. Es ist jetzt auch merklich kühler. Merklich kühler heißt: Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Die beiden letzten Etappen entpuppen sich als reine Bergläufe, gewürzt
mit jeweils 600 Höhenmetern im Anstieg. Insgesamt sind rund 54 Kilo-meter in den Tälern und auf den Höhen der 2000 Meter hohen Shan-Berge zu meistern. Bei diesen Temperaturen lässt es sich aber ange-nehmer laufen und freue mich auch über die Etappensiege. Im End-klassement kann ich mich auf Rang zwei platzieren mit einer Ges-amtlaufzeit von 17:43.26 Stunden. Für Sieger André wurden 17:19.57 Stunden gestoppt und für Aurélie Sauvage, die bis zur sechsten Etappe Platz zwei belegte, 18:04.42 Stunden.
Das Höhenprofil mit insgesamt 4000 Höhenmetern ist dabei nicht zu unterschätzen.
Silvia hat ebenfalls erfolgreich alle Etappen zwischen 14 und 22 Kilometern im Walkingtempo zurückgelegt, wobei hier keine Zeitnahme durchgeführt wurde.
Erholung und Besichtigungen stehen bis zur Abreise noch auf dem Programm. Der Inle-See (900 Meter ü. M.) ist touristisch bestens er-schlossen und eines der größten Highlights Myanmars.
Weltweit bekannt sind die schwimmenden Gärten und berühmt sind auch die Fischer für ihre spezielle Rudertechnik.
„Es ist ein unheimlich gutes Gefühl, frühmorgens aufzuwachen
und sich freuen zu können
- trotz aller Strapazen -
auf das Unbekannte und Neue, auf spannende Laufkilometer
und interessante Begegnungen
mit Menschen anderer Kulturen.
Das sind die verborgenen Reize solcher Abenteuerläufe …..“
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